Hallo!
Ich bin wiss. Mitarbeiter an einer Uni. Mit meinem Stottern ist das eine zwiespältige Angelegenheit. Es gibt unterschiedliche Faktoren, die die Ausprägung meines Stotterns beeinflussen. Diese sind u.a.
(1) Thematik: Ich stottere kaum oder nur sehr wenig, wenn ich mich mit Menschen über Mathematik unterhalte. Woran liegt das? Ich denke mal ein Faktor ist, dass wenn ich mathematische Sachverhalte erkläre, ich mich nicht noch zusätzlich auf mein Sprechen konzentriere und deswegen nicht ans Stottern denke, was ja bekanntlich sehr hilfreich ist - d.h. man kommt nur ins rein angeborene (genetisch übertragene) Stottern und nicht in die Blockaden, die man sich selbst psychisch verinnerlicht hat. Bei mir zumindest ist das angeborene Stottern (also dasjenige, was man in den ersten Jahren des Sprechens noch so bei sich hat) nicht wirklich stark und besteht nur aus Wiederholungen von Vokalen. Die Blockaden sind, wie gesagt, psychisch künstlich entstanden.
Desweiteren kann ich, falls ich beim Erklären mathematischer Sachverhalte doch mal ins Trudeln komme, so tun, als ob ich gerade nachdenke :). Das kommt gut an :).
(2) Personen: Das ist wohl der schwergreifendste Faktor. Wirklich fast jede Person aus meinem Umfeld, mit der ich mich öfters unterhalte, versteht mein Stottern und sie lassen mich auch ausreden. Naja, es sind v.a. Personen aus meinem engen Berufsfeld und Freunde, die eine Störung des Redeflusses als nicht-störend wahrnehmen, bzw. das Problem dahinter verstehen und nicht als unakzeptabel ansehen. Dennoch ist die Ausprägung meines Stotterns, wenn es mal nicht um Mathematik geht, sondern um andere Themen (Politik etc.), bei denen man auch wirklich ganze Sätze bilden muss und das zu gebrauchende Vokabular deutlich größer ist, abhängig von den Personen mit denen ich mich unterhalte: Mit Freunden stottere ich weniger, als wie wenn ich mich mit Mitarbeitern bzw. Vorgesetzten unterhalten muss. Beim letzteren muss ich, wie gesagt, ganze Sätze formulieren und das fällt mir wirklich schwer, wohingegen kurze Floskeln wirklich nicht schwer zu formulieren sind :). Man könnte sogar sagen: Das Stottern (bzw. meine eher meine Einstellung dazu) hat mir während meiner Schulzeit einen Streich gespielt, den ich jetzt wirklich deutlich spüre.
Naja, trotzdem habe ich mich entschieden in wissenschaftlicher Richtung tätig zu sein, weil ich mich damit in einem Umfeld aufhalte, in dem meine Fachkenntnis relevant und wichtig ist und auch zu 100% eingesetzt wird. Ich halte auch ständig Übungen und Vorträge, bei denen ich nicht wirklich viel stottere, weil es wieder um meine Thematik geht, die ich kontrolliere und nicht umgekehrt! Wenn ich als lehrende Person vorne stehe, dann fühle ich mich gut und die daraus resultierende Aura hämmt meine Angst vor dem Stottern gewaltig. Ich bin eigentlich sehr kontaktfreudig und deswegen nehme ich wahrscheinlich die Kommunikation mit anderen Menschen über das Bild einer lehrenden Person als Schnittstelle. Direkter Kontakt, bzw. Kommunikation über Themen, bei denen ich mich nicht gut auskenne, machen mein Stottern wirklich zum Herr meines Ichs.
Erstmal soweit ...