Hallo,
ich bin neu hier und möchte mit euch reden. Lasst mich mal kurz vorstellen.
Ich bin 28 und stottere von klein auf, mein ganzer Lebensweg ist durch das Stottern gezeichnet. Ich wurde als Kind in meiner Schule "normal" behandelt und meine Lehrer waren so verständnisvoll, dass ich nicht laut vorlesen musste, Gedichte durfte ich der Lehrerin allein in Ihrem Büro vortragen(dort habe ich trotzem gestottert), usw. Ich war ein guter Schüler und hätte leicht ein "sehr guter" sein können.. ohne das stottern. Später dann habe ich nicht die Ausbildungen gemacht, die ich hätte machen können usw., Dinge wie ein Hochschulstudium usw. habe ich mir wg. dem Stottern abgeschminkt. Mein selbst zurechtgestricktes Schema im Kopf ist: "Wenn ich nicht stottern würde - wäre ich ein ganz anderer Mensch" (-geworden, oder könnte ein ganz anderer sein) Vielleicht ist das aber auch nur eine "Ausrede im Kopf"...? auf jeden Fall hilft es nicht weiter.
War dann als Arbeiter angestellt und konnte mich in einem Job der mir keinen Spass machte in vielen Dingen kommunikativ nicht mit dem Vorgesetzen und Mitarbeitern auseinandersetzen.
Die Konsequenz war irgendwann die Kündigung. Weil es mir auch von meiner Art her zu mir passt, bin ich seit einem Jahr selbständig. Dieser Schritt brachte zunächst grossen Aufwind in mein Leben, ich habe mich so "frei" gefühlt wie noch nie, auch das Stottern war verschwunden bzw. kaum ein Problem. Allerdings geht es mir momentan wieder ganz schlecht. Ohne Kommunikation mit Kunden ist meine Arbeit hoffnungslos verloren, Ich bin in einer psychischen Ecke gelander, aus der ich nicht rauskomme..
Mein Stottern ist sehr unterschiedlich, es kommt und geht, ich bin manchmal fast völlig befreit davon, traue mir alles zu, gehe auf Leute zu, denke nicht darüber nach und bin einfach "ich selbst".
Dann gibt es "Auslöser" die alles wieder umknicken lassen. Das können Leute sein, mit denen ich nicht richtig umgehen kann, finanzielle Sorgen, zuviel oder zu wenig Schlaf, mich in einer Fremdsprache artikulieren zu müssen, Misserfolg., Trennung von der Freundin usw.
Danach geht es oft ganz tief runter, incl. Einbußen an Lebensmut, Selbstachtung, Selbstbewusstsein und Antrieb. Ich gehe jdem Gespräch aus dem Weg, meine Freunde erkennen mich nicht wieder, ich kann kaum einen vernünftigen Satz herausbringen. In so einer Phase befinde ich mich derzeit und hoffe, die Probleme mit neuen Ansätzen zu lösen. Ich habe noch nie eine Therapie oder ähnliches gemacht, nur als kleines Kind war ich mal bei zwei Logopäden. Was ich aus meiner Erinnerung heute darüber denke, ist, dass ich es nicht ernst genommen habe, es hat auch gar nichts verändert. Stottern war immer "meine Sache". Das konnte niemand verstehen, geschweige denn heilen. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Ich habe noch nie mit einem anderen Betroffenen gesprochen. Nach aussen hin habe ich immer versucht völlig "normal" zu wirken. Dadurch bin ich still und sage nicht immer all das was ich möchte. Wenn ich mich dann aber doch "offenbaren" muss, zum Beispiel in einer Situation voller Druck - Prüfung, Aussprachen, Reden vor mehreren Menschen oder bestimmten Personen - bricht meine Welt zusammen und ich bekomme kein wort mehr heraus, bin der völlige Idiot. Das ist ein Teufelskreis. Dieser absolute Rückzug in mich selbst schadet mir mehr, als ich zugeben möchte. Ich habe momentan viele Probleme in meinem Leben und führe mehr oder weniger allle auf meine Kommunikationsprobleme zurück. Vielleicht kann das jemand hier verstehen.
Ich informiere mich nun zaghaft über eventuell mögliche professionelle Hilfe, dabei hab ich in diversen Foren und auf Seiten schon einiges gelesen. Dabei bin ich auch auf eine so genannte "naturmethode" (http://www.stotterer-selbsthilfegruppen.de/modules.php?op=modload&name=Stotterer_SHG_Infos&file=mg-naturmethode) gestossen. Trotz mangelnder Erfahrung liest sich die Beschreibung dieser Methode m.E. sinnvoll.
Vielleicht hat jemand schon damit Erfahrungen gesammelt?
Die nächste Frage: Egal welche Therapie jetzt, es wurde schon paarmal nach Bezahlung über die Krankenkassen gefragt, wie sieht das bei einem Privatpatient aus? Ich bin selbständig und daher privat versichert. Ich kann derzeit nicht mal telefonieren, weil ich höllische Angst vorm Telefon habe:(, vielleicht kann mir ein Privatpatient seine Erfahrungen schildern.
Ich würde mich auch sehr freuen, wenn jemand in meiner Schilderung Ähnlichkeiten zu seiner Biografie findet und einfach ein paar Worte wechseln möchte, oder seine Sichtweisen zum Ausdruck bringt.
Vielen Dank fürs Lesen
Grüsse
>umschlag