Vom Stotterer zum Lehrer - Meine Geschichte

Kostenlos: 5 Übungen gegen Stottern

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  • Hallo Leute,
    ich habe mich schon einmal in diesem (oder einem anderen Forum) angemeldet. Ich weiß aber meine Zugangsdaten nicht mehr und habe mich daher neu registriert.


    Vielleicht kann ich mit dem, was ich schreibe, einigen Leuten Mut machen und darüberhinaus Denkanstöße (für Theapeuten und Betroffene) geben:


    Ich habe als junger Mensch (vom Kindergarten-Alter bis ins Studium hinein) stark unter meinem Stottern gelitten. Ich habe es jahrlang nie gelernt, das einfach zu akzeptieren und trotz des Stottern selbstbewusst bzw. selbstsicher aufzutreten. Ich habe eigentlich immer für das Stottern geschämt.
    Nach einem jahrelangem Auf und Ab habe ich letztendlich mein Lehramts-Studium beendet und arbeite nun seit 2 Monaten als Lehrer im Vorbereitungsdienst. Vor den Schülern habe ich bisher noch nicht gestottert. Nur bei Vorstellungsrunden im Kollegium und im Seminar bin ich mal leicht hängengeblieben oder habe "um den heißen Brei" herumgeredet. Das ist aber alles nicht so dramatisch, so dass ich mittlerweile die Angst vor dem Stottern (und damit das Stottern an sich) kein großes Problem mehr darstellt.


    Meine Geschichte:
    Das Stottern trat bei mir irgendwann in der Kindheit auf. Man erzählte mir, dass das in der Weihnachtszeit gewesen sei und man mir erzählte, der Weihnachtsmann komme gleich. Eigentlich gab es bei uns zuhause nie diesen "Weihnachtsmann-Glauben", aber vielleicht hat mich die Frage über die Existenz des Weihnachtsmannes psychisch sehr bewegt... oder der Ausschlaggrund lag doch ganz woanders.
    Ich habe dann während meiner Kindergarten- und Grundschulzeit gestottert, aber das störte mich nicht. In meinen Zeugnissen steht, dass ich trotz des Stotterns sehr aktiv am Unterricht teilnahm und gerne vorlas.
    Als ich dann auf das Gymnasium ging und die Pubertät langsam anfing, änderte sich dies dramatisch. Fast die gesamte Pubertätszeit waren mündliche Beiträge in der Schule für mich mit Angst und Blamagen verbunden. Die Deutsch-Hausaufgaben machte ich irgendwann gar nicht mehr, weil ich sie ja hätte vorlesen müssen, um sie zu präsentieren. Ich wartete immer auf Momente, in denen die "Gefahr zu Stottern" gering war. Deshalb habe ich mich nur selten gemeldet, wurde immer frustrierter und zog mich mehr und mehr zurück.
    Mein persönlicher "Niedergang" lässt sich mit einer Kausalkette darstellen:
    Erst war ich ein fröhliches, aktive und beliebtes Kind. -> Irgendwann fanden Gleichaltrige mit "komisch", "uncool" oder sonst wie, weil ich stotterte. -> Ich wurde schüchtern und schwieg immer mehr. -> Ich wurde noch uncooler und die schulischen Leistungen sanken. -> Ich schwieg noch mehr, kapselte mich von den Gleichaltrigen ab und hatte überhaupt keine Lernmotivation mehr.


    Am Ende der 9. Klasse hatte ich sechs 5en im Zeugnis. Meine Eltern drängten darauf, dass ich nun auf die Realschule wechseln sollte. Ich stimmte zu und wiederholte dort die Klasse.
    Dies war ein willkommener Neuanfang für mich. Das Stottern war am Anfang zwar besonders stark, weil ich in der Position des "Neuen" sehr schüchtern war, aber ich lernte neue Freunde kennen und gewann Abstand von der Zeit auf dem Gymnasium, die mir aufgrund meines Abstiegs eines fröhlichen KIndes zu einem deprimierten Außenseiter noch heute in schmerzhafter Erinnerung ist. Ich habe da viel verdrängt. Teilweise kann ich mich an die Grundschule besser als an das Gymnasium erinnern.
    Während meiner Zeit auf der Realschule nahm ich an einer Stotterer-Therapie des Greifenhofer-Instituts in Paderborn teil. Danach war ich erstmal komplett stotterfrei. Leider fing es bei mir (wie bei einigen anderen Teilnehmern auch) irgendwann wieder an. Das Problem war also nicht aus der Welt, aber die Therapie hat mir doch so viel gebracht, dass ich weiß, ich kann auch flüssig sprechen und dass ich im Notfall immer auf die Atemtechnik zurückgreifen kann.


    Nach der Realschule besuchte ich das Fachgymnasium und holte dort das Abitur nach.
    Die ganze Zeit war von Höhen und Tiefen geprägt. Manchmal war ich fast stotterfrei, manchmal war es wieder richtig da.
    Die folgende Zivildienst-Zeit war für mich wichtig, um aus meinem Handeln Selbstwertgefühle zu ziehen. Ich war in der Zeit ganz gut drauf und stotterte wenig.
    Ich entschied mich dann für ein Lehramtsstudium. Von meiner Familiensituation her wäre es das naheliegendste gewesen, ein Jura-Studium zu beginnen. Das traute ich mir aber nicht zu, weil ich meinte, das Studium wäre sehr schwierig und man müsse z.B. als Anwalt immer mit selbstsicherer Stimme auftreten. Dass ich mich dann stattdessen für den Lehrerberuf entschied, sehe ich heute als parodox an - weil wohl bei wenigen anderen Berufen die Sprache so im Vordergrund steht wie bei einem Lehrer.
    Aber vielleicht steckte hinter der Entscheidung auch, dass ich mit einer Tätigkeit als Lehrer auch die letzten Überreste des Stottern loswerden werde (dadurch, dass man ständig vor der Klasse spricht und man dann nicht mehr aus dem Sprechfluss herauskommt). Das sehe ich jedenfalls heute so und interpretiere das mal einfach in meine damalige Entscheidung hinein.


    Nach einem etwas längeren Studium arbeite ich nun als Lehrer im Vorbereitungsdienst.
    Bis auf die Schwierigkeiten in pubertierenden Klassen (ich unterrichte nur 8.) für Ruhe zu sorgen, fühle ich mich in meiner Tätigkeit sehr wohl. Endlich kann ich mich jeden Tag präsentieren und kann mir selbst beweisen, dass ich vor einem mittelgroßen Publikum stotterfrei sprechen kann.
    Nur Vorstellungsrunden (Namen sagen) und Telefonate sind für mich nach wie vor unangenehm. Das sind fast die letzten Reste, die vom Stottern übergeblieben sind.


    Das Spezielle bei mir ist, dass ich gar nicht mehr richtig Stottern kann. Wenn ich hängenbleiben sollte, dann kommt für ca. eine Sekunde nichts raus, ich fange den Satz neu an oder (ultima ratio) ich wähle schnell ein anderes Wort bzw. ich rede um den heißen Brei herum. Letzteres ist zwar nicht so optimal, weil man nicht das sagt, was man eigentlich sagen wollte, aber manchmal geht es eben nicht anders - und es ist auch nur sehr selten.


    Ich habe mittlerweile für mich gemerkt: Sprachtraining, Atemtherapien usw. sind eine wichtige Hilfe für Stotterer, um es loszuwerden - das wichtigste ist aber eine positive - lockere - selbstbewusste Haltung zur eigenen Sprache und auch zur ganzen eigenen Person. Bei mir hängt die Fähigkeit stotterfrei zu sprechen, stark davon ab, wieviel Selbstwertgefühl ich aus meinem Leben ziehen kann. Wenn ich keine Erfolgserlebnisse habe und das Leben unbefriedigend und langweilig erscheint, dann kann es leicht passieren, wieder ins Stottern zu verfallen. Ich glaube dann einfach nicht so an mich und meine Sprache. Ich würde sagen, dass das Stottern (zumindest während meines Studium) ein Symptom von depressiven Verstimmungen ist. Sobald ich genug zu tun habe und daraus Erfolgserlebnisse ziehe, stottere ich nicht.
    Das ist sicherlich ein bestimmter Typ von Stottern. Vielleicht kann man das Stottern bei mir als "Tick" verstehen - also als etwas, das auftritt, um andere negative Dinge zu kompensieren.


    Ich bin jedenfalls nun sehr glücklich, dass ich es so weit gebracht habe und mich vom Stottern nicht von meinem Weg abbringen lassen habe.
    Ich hätte mir wohl viel Ärger und Leid erspart, wenn ich mich nach dem Rückfall der Therapie wieder in professionalle Hände begeben hätte. Ich neige aber dazu, immer alles selbst auskurieren zu wollen. Ich sehe ein, dass das meistens nicht richtig ist, aber vom Ergebnis her, hat sich nun alles ganz gut entwickelt.


    Viele Grüße,
    Malz

  • Sobald ich genug zu tun habe und daraus Erfolgserlebnisse ziehe, stottere ich nicht.
    Langsam solltest Du doch merken, dass Du einfach geniale, sensible, feine Talente hast, für die DU verantwortlich bist.
    Immer noch überlässt DU es dem Zufall, ob sie überhaupt was zu essen bekommen. Andere müssen Deine Talente beschäftigen und ihnen ERFOLG und Anerkennung bescheren, damit sie SATT werden. Das ist aber DEINE Aufgabe, Deine HAUPTaufgabe.
    Jahrelang hast Du Dich für Deine feinsten, sensibelsten, genialsten Talente geschämt. Das ist als wenn man ihnen das Essen vor der Nase wegnimmt.
    Und obwohl DU so schäbig mit ihnen umgegangen bist, haben sie Dir immer die Treue gehalten. SIE haben sich für DICH nie geschämt, wiewohl Du ihnen reichlich Anlass dafür geboten hast.
    Mit meiner kleinen Ich-kann-Schule-.Standpauke möchte ich Dir zeigen, was Du für ein Glückspilz und dass Du auf dem rechten Weg bist und dass es Zeit ist, die volle Verantwortung für alle Deine Talente und Kräfte zu übernehmen. DU bist ihr CHEF. Werde ein guter Chef, Deine Talente haben es verdient!
    Freundlich grüßt
    Franz Josef Neffe

  • Lieber Malz,
    als ich Deinen Beitrag gelesen habe, war ich zunächstmal sehr überrascht! Ich wusste gar nicht, dass es noch mehr von " uns" Stotterern gibt die den Lehrerberuf wählen. Denn unsere bisherigen Erfahrungen ähneln sich doch schon sehr: Auch ich stottere-und habe mich entschieden trotzdem Lehrer zu werden!
    Doch der Reihe nach:


    Mein Stottern begann erst später, den genauen Anlass und auch die genaue Zeit weiß ich gar nicht mehr. Fakt ist jedoch, dass ich im Kindergarten und auch in der Grundschule nicht gestottert habe und sich das Ganze bei mir erst während der Pubertät manifestiert hat. Dann aber mit den selben Symptomen und Erfahrungen wie bei Dir, d.h. ich zog mich zurück, mündliche Wortmeldungen oder auch lautes Vorlesen waren mir zuwider und ich versuchte sie wenn möglich gut zu umgehen. Was ich allerdings immer gut konnte (und mir auch Spass machte!) waren Referate und Vorträge zu halten... Irgendwie schon paradox! Aber ich konnte einen Redefluss aufbauen der mich durch den ganhen Vortrag trug. Trotz allem war ich ein guter Schüler, ich schaffe meinen Hauptschulabschluss und danach die Werkrealschule mit guten Noten und konnte dann auf dem Gymnasium mein Abitur erwerben, welches ich ebenfalls sehr gut bestand. Eine Therapie machte ich allerdings nie, es war zwar ein ständiges auf und ab, aber letztendlich stimmten meine Noten auch wenn das Mündliche mir immer eine gewisse Abwertung verschaffte.


    Ich entschied mich ebenfalls für ein Lehramtsstudium, weil ich als Jugendlicher Jugendgruppen leitete und mir die Arbeit dort sehr viel Spass machte. Und auch ich hatte (und habe!) die Hoffnung mein Stottern durch einen guten Redefluss noch mehr verhindern zu können. Mein Stottern fällt glücklicherweise nicht stark auf, ich habe zwar immer wieder Blocks, die ich aber mit dem Suchen von anderen Worten oder auch Umschreibungen ziemlich gut kaschieren kann. Wenn ich einmal in einem Redefluss bin-wie bei Referaten/Vorträgen etc- tritt es auch nicht auf. Besonders schlimm ist es allerdings wenn ich etwas sagen "muss" wo es keine Umschreibungen dafür gibt, z.B. den Namen in Vorstellungsrunden etc. Zudem tritt mein Stottern auf wenn ich aufgeregt bin, oder viele fremde Personen anwesend sind oder auch bei Telefonaten.
    Spätestens im Praxissemester während des Studiums an einer Schule, habe ich gemerkt dass mir der Beruf sehr viel Spass macht und meine Sprechbehinderung mich auch nicht daran hindert guten Unterricht zu gestalten. Jedenfalls bekam ich positives Feedback von meinen damaligen kollegen und sie bestärkten mich den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.Nun habe ich mein Lehramtsstudium abgeschlossen und seit 4 Wochen mein Staatsexamen in der Tasche, ab Januar geht es dann ins Referendariat.


    Um ehrlich zu sein kommen mir jetzt allerdings schon Bedenken, umso besser ist es dabei deinen Post zu lesen. Mir graut vor den zahlreichen Vorstellungsrunden im Seminar, in den Fachdidaktiken und im Kollegium. Ich habe dann Probleme meinen Vornamen flüssig auszusprechen und vor allem auch der Name meiner zugeordneten Schule bzw. der Schulort bereiten mir sehr große Probleme. Allerdings weiß ich nicht was ich dagegen tun soll? Klar, gut gemeinte Ratschläge wie "cool bleiben" usw. bekomme ich schon, aber in der entsprechneden Situation beherrscht mich einfach die Aufregung und auch die Angst davor "hängenzubleiben".Ich habe Sorge, schon von Anfang an "aussortiert" zu werden und meine ja wohl vorhandenen Talente für den Lehrerberuf gar nicht unter Beweis stellen zu können. Fakt ist dass wohl der Start ins Referendariat für mich wirklich nicht einfach werden wird, und ich hoffe in einigen Monaten hier ebenfalls wie Du eine positive Bilanz ziehen zu können.
    Deshalb mein Rat an alle Stotterer da draußen, die sich fragen ob sie diesen oder jenen Beruf wählen sollen: Ihr könnt es schaffen! Wenn ihr die entsprechenden Talente mitbringt ist glaube ich keine Karriere unmöglich auch als Mensch mit einer Sprechbehinderung. Natürlich kommt es auch auf den Grad des Stotterns an und -man braucht ein dickes Fell!!
    Ich würde mich freuen weitere Referendariatserfahrungen von Dir, Malz zu hören ( du kannst mir auch gerne eine PN schicken)!
    Viele Grüße,
    Corona

  • Hallo,


    Ich finde es gut, dass ihr eure Erfahrungen hier mit uns teilt. Ich bin selber Stotterer und interessiere mich ebenfalls sehr für ein Lehramtsstudium. Bisher war ich mir jedoch absolut unsicher damit. Ich kenne die Leute mit denen ich derzeit meine letzten zwei Schuljahre absolviere und ich weiß nicht, wie die auf einen stotternden Lehrer reagieren würden. Ich kenne dieses Verhalten von mir selber, manchmal kann man einen Lehrer einfach nicht leiden und dann nutzt man halt ab und an die Chance, ihn ein bisschen zu ärgern.
    Ich fürchte mich dann einfach ein bisschen davor, an eine Klasse zu geraten, die so ein "Handicap" ausnutzt. Versteht mich hierbei nicht falsch, mir ist klar, dass Lehrer zu sein, nicht stressfrei ist. Ich sehe in mir auf jeden Fall die Qualitäten, um Lehrer zu werden. Allerdings weiß ich nicht, ob ich mit Mobbing-ähnlichen "Attacken" der Schüler klarkommen würde. Wie sind eure Erfahrungen, was das angeht?


    Ich bedanke mich schonmal für eure Antworten!


    Grüße,
    Florian

  • Wie bewertest du dich selber ? verurteilst du dich für dein stottern ? kannst du alles sagen, den lehrstoff vollständig rüberbringen ?
    glaubst du du bestehtst eine lehrprüfung wenn der schulrat hinten in der klasse sitzt ? ein referat an der uni vor 100 stundenten und STUDENTINNEN,
    in eine davon bist du verknallt, was wenn die dich da vorne stottern hört ?
    wie gross ist deine unsicherheit, wie ist deine selbstbewertung- hast du nach dem stottern ein vernichtendes urteil über dich selbst, schämst du dich,
    denkst du lange danach noch über die stottern- situation nach ?
    wie gross ist deine selbstliebe, das vertrauen in dich ?


    das sind alles dinge die mir dazu einfallen.


    viele grüsse
    christoph

  • Hallo,


    ich studiere auch auf Lehramt und bin gerade in den Endzügen meines Studiums. Jedoch bin ich mir mittlerweile mit dem Lehrerberuf unsicher geworden, da ich in meinem Praktikum darauf angesprochen wurde und diese Schule meinte, dass es ja garnicht ginge als Lehrer zu stottern und ob ich nicht lieber etwas im Labor machen sollte.


    Das hat mich ziemlich wütend gemacht. Ich stottere mein Leben lang, habe es geerbt und mich damit abgefunden. Jedoch finde ich es unerhört, dass es in Deutschland um Intergation und Inklusion usw geht aber es auf Seiten der Lehrer anscheindend perfelke Menschen sein müssen.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Sa feh,


    Deinen Frust kann ich nachvollziehen. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, aufzustehen und zu kämpfen. Aber nicht GEGEN irgendetwas oder irgendwen, sondern FÜR Dich. Dass Stottern kann man in den Griff bekommen, den Umgang damit ebenso optimieren. Dass Deine zukünftigen "Kollegen" im Praktikum Probleme damit haben, kann auch mangelnder Flexibilität oder eingeschränkter Sichtweise geschuldet sein. Gebe der liebe Gott diesen Zeitgenossen mehr Fantasie und mehr Vertrauen zu vielleicht ungewöhnlichen Entscheidungen, die außergewöhnliches hervorbringen können. Die Hauptsache ist, dass Du hinter Deiner Entscheidung stehst und sie DURCHSETZT.


    Wenn ich Dir helfen kann, wie auch immer, gib Bescheid.


    Liebe Grüße,


    Hans :thumbup:

  • Hallo,


    ich kenne dieses Problem nur zu gut. Genau wie Malz war ich früher ein fröhlicher, netter, kleiner Junge, der immer gerne gelacht und geredet hat. Sei Ende der Grundschulzeit aber stottere ich. Es wurde immer schlimmer und auch eine Therapie konnte nichts ausrichten. In der 5.-7. Klasse war mir das noch ziemlich egal und den anderen auch, ich hatte immer viele Freunde. Dann aber, als ich in die Pubertät kam, wurde es mir erst richtig bewusst, ich meldete mich nicht mehr aus Angst drangenommen zu werden und zu stottern. Ich wusste die Antworten oft, habe mich aber nicht getraut, selbst wenn ich die Antwort wusste, mich gemeldet hab, weil sich kein anderer gemeldet hat und ich sicher war, hab ich dann lieber gesagt "Ne doch nicht.", weil ich doch plötzlich wieder Angst hatte. Mit meinen Freunden konnte ich immer ganz gut reden, ok ein paar Hänger waren immer dabei, aber sobald ich vor der gesamten Klasse sprechen musste wurde ich rot und hörte nicht mehr auf zu stottern. Bei Vorträgen hatte ich oft schon vorher tagelang Angst diese zu halten. Meine Noten sahen dann auch dementsprechend aus. Nach der 10. Klasse sind wir dann umgezogen und ich bin auf ein anderes Gymnasium gegangen und siehe da.... das stottern war, zumindest nach der Eingewöhungszeit, in der ich sehr viel gestottert habe, weil ich ja der "Neue" war, fast ganz weg, solange ich mit den Schülern geredet habe, im Unterricht selber war es doch noch manchmal sehr stark vorhanden, wurde aber besser. Ich war nahezu mit meiner gesamten Stufe gut befreundet und hab mich mit jedem gut verstanden. Ich hatte zwar immer noch Angst vor Referaten und da wurde das Stottern auch immer wieder schlimmer, aber längst nicht mehr so extrem, ich habe mich sogar sehr oft mit einem Leher angelegt - nebenbei: ich war sein Lieblingsschüler und man konnte das mit ihm machen, von ihm kamen dann immer Sprüche zurück - einfach nur weil ich es konnte, weil ich vor der ganzen Klasse etwas gesagt habe und dabei nicht stottern musste und das gab mir einfach ein positives Gefühl.


    Mittlerweile habe ich mein Abitur bestanden und wollte nie auf Lehramt studieren, weil ich nicht wieder vor einer ganzen Klasse anfangen wollte zu stottern. Meine Familie hat mir immer gesagt ich solle Lehrer werden, weil ich das einfach gut könne, und jetzt, nachdem ich eure ganzen Artikel gelesen habe, denke ich sehr wohl, dass ich das schaffen könnte! Danke! :freu:


    LG
    Nils :cool:

  • Hallo zusammen!


    Ich komme aus der Schweiz und bin durch Zufall auf dieses Forum gestossen. Da ich auch, wie einige in diesem Forum, seit meiner frühen Schulzeit stottere, fühle ich mich zu euch allen sehr verbunden. Die Erfahrungen welche ihr schildert könnten Eins zu Eins aus meinem Leben stammen. Auch ich studiere momentan mit 28 auf Lehramt und habe seit etwa einem Jahr immer häufigere und stärker werdende Stotteranfälle (als Anfälle kann man diese nicht bezeichnen aber ihr wisst wie ich das meine).


    Ich liebe es vor der Klasse zu stehen und mit den Schülern zu diskutieren und Lösungen etc. zu erarbeiten. Im letzten Praktikum ist mir jedoch stark aufgefallen, dass ich auch schon vor denn Schülern vermehrt auf die berühmt berüchtigte Sprechpause zurückgreife. Ich fühle mich dabei blöd und warte die Blicke ab welche sagen: Wann macht der denn jetzt weiter. Durch um denn heissen Brei reden hilft mir oft aus der Situation, doch ich kann das Stottern nicht als Teil von mir in diesem Beruf akzeptieren, da es mich in dieser (für mich) sehr wichtigen Arbeit sonst behindert.


    Zu meinem Umfeld.

    Ich habe mich im letzten Jahr sehr aus meinem sozialen Umfeld zurückgezogen. Ich war mit vielen Leuten regelmässig unterwegs und liebte es in Gesellschaft zu sein, zu trinken, feiern etc.

    Jetzt sitze ich meistens zu Hause und schaffe mir einen einsamen Alltag der mich zufrieden macht. Ich wohne jetzt mit meiner Freundin zusammen was mich sehr glücklich macht. Doch das Stottern blockiert einen grossen Teil meines Lebens. Ich kann mich nicht mehr so ausdrücken wie ich es gerne möchte. Ich habe das Gefühl immer mehr meinen Humor zu verlieren, da Witze die stotternd ausgesprochen werden einfach nicht lustig rüberkommen können. Manche Tage sind besser als andere. Manche die Hölle was das Sprechen angeht. Bei nicht erfolgreichen Tagen möchte ich mich nur noch zu Hause vergraben und Serien schauen oder Klavier spielen.

    Ich würde gerne wieder ein vielseitigeres Leben haben und mich auf Treffen mit Freunden und Familienangehörigen freuen und diese Treffen nicht als anstrengende Momente erleben. Bei mir stellt sich mit der Zeit eine immer stärker werdende "mir egal"-Haltung ein. Ich äussere mich in Gesprächen nicht mehr, da es zu viel Stress ist mich korrekt ausdrücken zu wollen, natürlich ohne zu stottern. Meine Sozialkompetenzen lassen auch stark nach.


    Ständiges grübeln für die Ursache des stärker werdenden Stottern nimmt mich so stark ein, dass keine weiteren Themen in meinem Kopf mehr Platz haben. Es macht mich sehr traurig, dass ich meine ursprüngliche Power und Überzeugungskraft in Gesprächen verloren habe und will diese zurück haben. Nur weiss ich nicht wie. Hat es vielleicht auch mit dem Älterwerden zu tun? Ich misse die Zeit nicht in der ich jeden Abend unterwegs war. Doch ab und zu abends mit Freunden, meinem Vater, meiner Mutter, meinem Bruder oder der Freundin etwas trinken und Gespräche führen die nicht ständig durch mein Stottern unterbrochen werden und von Geduld für mein Sprechfehler geprägt sind wünsche ich mir sehr. Sie alle haben Verständnis für mich. Doch fehlen mir die Gespräche in denen ich ihnen mit meinem Humor und meinem Enthusiasmus Erlebnisse oder neues Wissen schildern konnte die ich erworben habe. Ich weiss das sie mich lieben und gerne mit mir Zeit verbringen. Doch für mich sind diese Momente schön weil ich sie sehe, und doch anstrengend weil ich mich nicht so ausdrücken kann wie ich es möchte.


    Die Beiträge hier sind sehr alt. Doch wenn jemand meinen Betrag trotzdem sieht dann bin ich um jede Weisheit und jeden Ratschlag dankbar.


    Liebe Grüsse Adriano