Valsalva Control - der unterschätzte Ansatz

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  • Liebe Leidensgenossinnen und -genossen,


    ich habe mich entschlossen einen Erfahrungsbericht insbesondere über meine letzten 7 Wochen zu schreiben. Ich werde versuchen meinen Bericht möglichst objektiv zu halten. Ich werde nichts übertreiben und nichts schön reden. Ich hoffe einen möglichst konstruktiven Beitrag für die Stotterer-Community geschrieben zu haben.


    Meine Geschichte als Stotterer:


    Erstmal zu meiner Person als Stotterer. Meine Sprachstörungen fingen im Alter von ca. 6 Jahren an. Nach diversen Stunden bei einem Logopäden, der zu uns an die Grundschule kam, konnte ich wieder flüssig sprechen. Dies hielt an bis zu meinen 16 Lebensjahr. Von da an kam ich hin und wieder mal ins Stottern. Dies war aber eher selten. Jedoch intensivierte sich dies mit Anfang 20 und ich konnte über 13 Jahre keinen vernünftigen Satz mehr aussprechen ohne irgendwo hängenzubleiben.


    Therapien und Logopäden habe ich einige besucht. Auch habe ich einige Hilfsmittel ausprobiert. Kurz aufgezählt: Atemtechniken, Sprachtechniken, Medikamente, Knopf im Ohr usw. Nach der einen oder anderen Therapie war ich etwas flüssiger, doch früher oder später stotterte ich wieder.


    Wie kam ich auf das Buch von Bill Parry:


    Nach den ganzen gescheiterten Therapien und Hilfsmitteln habe ich mir regelrecht den Kopf darüber zerbrochen warum ich stottere. Viele kennen bestimmt das Gefühl. Man geht mit dem Gedanken schlafen und steht damit auf. Das besonders Interessante daran ist ja, dass ich zuhause alleine fast oder ganz flüssig sprechen kann und unter der Anwesenheit von Leuten nicht.


    Nach einem frustrierenden Arbeitstag, an dem ich einen besonders schlechten Stottertag hatte, habe ich mich in mein Bett gelegt und versucht in mich reinzuhorchen. Was passiert wenn ich blocke? Ich habe noch mal die Wörter mit denen ich besonders viel Probleme habe wiederholt und dabei absichtlich besonders stark geblockt. Ich konnte beobachten wie sich meine Kehle fast komplett verschließt und kein Lüftchen mehr durchkam. Dabei habe ich auch meine Bauchmuskeln angespannt. Überhaupt haben sich einige Muskeln bei mir im Körper bei dem Block angespannt. Ich konnte gar nicht das Wort rauskriegen, da ja meine Kehle verschlossen war. Desto mehr ich mich anstrengte dieses Wort rauszukriegen, umso mehr habe ich meine Kehle verschlossen und meinen Bauch angespannt. Das ist ja schon mal eine Erkenntnis :)


    Also habe ich mich an den Rechner gesetzt und über Google die entsprechenden Suchwörter eingegeben und das Netz durchstöbert. Dabei bin ich auf das Buch von Bill Parry "Understanding and Controlling Stuttering" gestoßen. Hey ein Buch welches genau meine Beobachtung beschreibt. Also habe ich mir das Buch sofort bestellt und verschlungen.


    Wie ist das Buch entstanden und welche Erkenntnisse stecken da drin?


    Bill Parry ist ein Rechtsanwalt der seit seinem vierten Lebensjahr stotterte und deswegen zahlreiche Therapien gemacht hatte. Keine der Therapien konnte ihm anhaltend helfen. Aus diesem Grund nahm er das Problem mit gesundem Menschenverstand selbst in Angriff.


    Er untersuchte zuerst welche Faktoren für flüssiges Sprechen notwendig sind. Als nächstes versuchte er u.a. in klinischen Untersuchungen herauszufinden was sein Körper abweichend hiervon beim Stottern macht. Er fand heraus, dass er beim Stottern das sog. Valsalva Manöver durchführt.


    Bei dem Valsalva Manöver wird der Luftdruck in den Luftwegen durch Verschließen der Atemwege und Anspannung der Atemmuskulatur erhöht. Es spannen sich gleich eine Kette von Muskeln im Körper an insbesondere die Bauchmuskeln sowie der Schließmuskel. Atmet einfach mal tief ein und spannt bevor ihr ausatmet fest den Bauch- und Schließmuskel an. Krümmt noch die Finger vor der Brust und hakt beide Hände ein und versucht diese mit aller Kraft auseinander zu ziehen. Jetzt könnt ihr mal versuchen in dem angespannten Zustand ein Wort zu sagen. Das Valsalva Manöver hat seinen natürlichen Zweck z.B. beim Stuhlgang oder bei der Geburt.


    Warum sollen die Erkenntnisse von Bill Parry die richtigen Erkenntnisse sein?


    Was auch immer die Ursache für Stottern ist (Angst, Veranlagung etc.). Auf die wichtigste Frage konnte die Wissenschaft bisher keine vernünftige Antwort geben. Warum spreche ich alleine flüssig während ich unter Leuten stottere?


    Bill Parry hat hierzu mal in einem Interview gesagt: "Ich habe Tonnen von Literatur über Stottern gelesen. Und kein einziges dieser Bücher konnte mir nachvollziehbar erklären, warum ich in der einen Situation flüssig spreche und in der anderen kein Wort rauskriege".


    Soweit so schlecht. Nun denkt sich der ein oder andere Leser: Na wenn das das Problem ist, dann mache ich einfach nicht mehr das Valsalva Manöver und ich müsste wieder flüssig sprechen. Nun ja, wer 15 Jahre gestottert hat, der hat 15 Jahre unbewußt das Valsalva Manöver durchgeführt. Dies ist in Fleisch und Blut übergegangen. Es hat sich in die Nerven für die zuständigen Sprechorgane regelrecht eingebrannt. Wenn ich ein Wort mit einem P aussprechen will und habe 15 Jahre Probleme mit dem P gehabt, dann sind die Lippen darauf eingestellt zu fest aufeinander zu pressen bei diesem Laut. Der Kehlkopf verschließt sich, so dass nur ungenügend Luft für die Stimmbänder zu Verfügung steht etc. D.h. die ganzen Sprechorgane sind mittlerweile falsch "programmiert".


    Meine Freundin hatte bei mir eine sehr unregelmäßige Atmung beobachtet. Ich habe morgens im Schlaf den Atmen gelegentlich angehalten und dann angestrengt ausgeatmet. Dies hatte ich auch hin und wieder während des ganzen Tages unbewußt praktiziert. Durch das jahrelange Ausführen des Valsalva Manövers war also auch meine Atmung sehr unregelmäßig geworden.


    Wie funktioniert die Methode des Valsalva Control?


    Valsalva Control kann man mit keiner gängigen Therapie vergleichen. Es mag hier und da ein paar Schnittpunkte geben. Aber das, was das Wesentliche von Valsalva Control ausmacht, wird man in keiner anderen Therapie finden.


    Also Valsalva Control besteht aus drei Kernpunkten:


    1. Bauchatmung
    2. Valsalva Entspannung
    3. Stimmbildung


    - Die Bauchatmung haben einige bestimmt schon in vorherigen Therapien gemacht. Sinn und Zweck ist es einfach genügend Luft zum Sprechen zu haben und sich eine regelmäßige Atmung wieder anzutrainieren. Der Zwerchfellmuskel muss hierzu entsprechend trainiert werden.


    - Die Valsalva Entspannung dient dazu den Bauch und weitere Muskeln beim Sprechen zu entspannen statt zu verspannen. Dies verhindert, dass man abrupt die Luftzufuhr durch Ausführen des Valsalva Manövers unterbricht und dann angesprengt versucht die Wörter irgendwie rauszukriegen.


    - Die Stimmbildung hilft einem Wörter nicht als „Dinge“ zu sehen, die man versucht rauszukriegen, sondern als Abfolge von Bewegungen von Lippen, Stimmbänder etc.


    Bill Parry hat hierzu die Übung des Adronian Speech erfunden, die diese drei Faktoren auf einfache aber sehr effektive Art trainiert.



    Wo liegen denn jetzt die konkreten Fortschritte die man mit der Zeit macht?


    Mit der Zeit gewöhnen sich die Sprechorgane wieder an das normale und flüssige Sprechen. Die Lippen lernen z.B. nicht mehr so stark aufeinander zu pressen beim P. Die Stimmbänder werden mit Durchgehend Luft versorgt. Man hört auf das Klingen der eigenen Stimme statt daran zu denken wie schwierig ein Wort ist. Man merkt von Tag zu Tag wie sich wieder normales Sprechen einpendelt.


    Man muss bedenken, dass das Valsalva Manöver in Form des sog. „Stotter-Kreislauf“ einen großen Trainingsvorsprung über mehrere Jahre hat. Den gilt es durch Training des „Flüssig-Kreislaufes“ mithilfe von Valsalva Control wieder einzuholen. Es existiert ein You-Tube Film, wo Bill Parry nach einem Jahr Valsalva Control Training ein Interview gibt. Gerade dieser Film verdeutlicht die zwei Kreisläufe besonders gut. Z.B. startet er besonders entspannt mit einer leicht brummenden Stimme und spricht im Großteil entspannt und natürlich. In wenigen Situationen droht er ins Stottern zu geraten kommt aber durch Valsalva Control erst gar nicht richtig rein. Achtet mal auf das "Brummen" seiner Stimme und wie entspannt er den ersten Satz sagt. Nur am Schluss kommt er etwas ins Stottern.


    http://www.youtube.com/watch?v=rhJ0DkoU_7M


    Wo liegt dann das Problem? Buch kaufen und flüssig sprechen!!


    Hier gibt es mehrere Probleme!! Das Buch ist umfangreich und existiert nur in englischer und koreanischer Sprache. Sofern man kein fließendes Englisch oder Koreanisch kann ist es etwas mühselig das Buch zu lesen. Aber einmal lesen bedeutet auch nicht das man auch alles verstanden hat und die etwas weniger wichtigen Punkte von den essentiellen Punkten richtig unterscheiden kann. Also am besten dreimal lesen und das eigene Gehirn anstrengen um auch alles richtig zu verstehen beim lesen. Es eignet sich besonders erstmal auf eine Übung zu konzentrieren (z.B. Bauchatmung) und die entsprechenden Passagen immer wieder zu lesen und die Übung so oft zu wiederholen bis diese "sitzt" (also Schrittweise vorgehen hilft).


    Dann kommt meiner Meinung nach der schwierigste Punkt. Es ist keiner da den man fragen kann ob man die Übungen auch richtig macht. Wie fühlt sich die Lautbildung denn nun korrekt an. Wie fühlt sich die Valsalva Entspannung an und wie komibiniere ich alle Faktoren richtig? Hier hilft nur ständiges Training und Selbstkontrolle. Aber das ist auch schon die nächste Schwierigkeit. Man muss Vasalva Control konsequent trainieren um den Körper auf normales Sprechen wieder zu programmieren. Dies dauert auch seine Zeit! Bill Parry selbst brauchte 1 Jahr um flüssig zu sprechen und er hat das ganze Konzept erfunden!! Also man muss:


    1. Die Theorie und Übungen verstanden haben
    2. Die Übungen richtig machen
    3. Konsequent und regelmäßig trainieren


    Alles andere ist Murks und funktioniert nicht.


    Ich habe mir noch einige zusätzliche Hilfsmittel ausgedacht. Um die Bauchatmung richtig zu lernen habe ich mir ein Gummiband den ganzen Tag um den Bauch geschnallt. Dies hat vor allem zwei Wirkungen. Man wird den ganzen Tag an den Bauch erinnert und somit auch daran eine Bauchatmung durchzuführen. Zweitens spürt man nochmal besser das Valsalva-Manöver beim Stottern. Erkenntnis ist der erste Schritt zu Besserung.


    Adronian Speech soll man durch lesen üben. Mittlerweile bin ich darin so fit, dass ich einfach dem Fernseher oder dem Radio in Adronian Speech nachplappere. Dies ermögicht einem pro Tag auf angenehme Weise mehr zu trainieren. Doch Vorsicht!! Quantität vor Qualität, d.h. erst einmal sollte man Adronian Speech richtig beherrschen bevor man die Übungen durch Nachsprechen von Fernsehen oder Radio intensiviert.


    Wo steht der Autor dieses Erfahrungsberichts nun mittlerweile?


    Selbstbeweihräucherung ist nicht meine Sache aber ich möchte auch nichts untertreiben und möglichst mich und meine Fortschritte objektiv beschreiben. Als Mensch gehöre ich zu den Typen die nicht aufgeben. Das Wort "aufgeben" existiert einfach nicht in meinem Wortschatz. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann ziehe ich das durch.


    Noch stottere ich etwas. Aber kein Vergleich zu der Zeit vorher. Es ist nicht mehr so, dass ich in der Sprechsituation nicht mehr weiss was ich machen soll und stottere. Sondern einfach das Geübte ohne Hast und Druck umsetzen und es geht. Sollte ich doch mal stottern, weiss ich genau was ich falsch gemacht habe und analysiere die Situation um daraus zu lernen. Die Angst legt sich jetzt langsam und es gilt für mich so oft wie möglich zu üben damit die Nervenbahnen die für das Sprechen zuständig sind stärker werden.


    Ich übe seid ca. 7 Wochen Valsalva Control und letzte Woche habe ich die Übungen nochmal intensiviert und komme so auf 2 und manchmal sogar 3 Stunden am Tag. Diese Zeit würde ich niemals investieren wenn es sich nicht lohnen würde. Meine Fortschritte sind seit letzter Woche schon fast dramatisch geworden. Es pendelt sich ein flüssiges und entspanntes Sprechen ein. Keine komischen Lautverzerrungen wie in manchen Sprachtherapien. Ich bin überzeugt davon, dass ich in einigen Monaten wieder komplett flüssig sprechen kann.


    Warum ist noch keiner darauf gekommen das Bill Parry mit seinen Valsalva-Thesen Recht haben könnte?


    Es gehört schon einiges dazu einen so logischen und vielversprechenden Ansatz über Jahrzehnte konsequent zu ignorieren. Es bietet die Chance gerade "Hardcore-Stotterer" im Erwachsenenalter erfolgreich zu therapieren. Gerade diese Gruppe gilt als sehr schwer therapierbar. Die Wissenschaft hätte längst die Valsalva-Thesen von Bill Parry wissenschaftlich untersuchen und auf dessen Basis eine Therapie entwickeln können. Für Stotterer würde dies eine erhebliche Erleichterung bedeuten statt es in Form einer Selbsttherapie zu versuchen. Auch hätte eine Übersetzung des Buches ins Deutsche vielleicht dem ein oder anderen weitergeholfen. Aber auch hier Fehlanzeige.


    Mein Lieblingsspruch ist: Hilf dir selbst dann hilft dir Gott. Aber sollte sich einer in Form einer Selbsttherapie an Valsalva-Control wagen, dann kann er mir gern eine E-mail mit seinen Fragen oder Erfahrungen schicken. Vielleicht kann ich mit ein paar guten Tipps weiterhelfen.


    viele Grüße
    Gürcan


    informative Links:


    - Video Workshop Valsalva Control von Bill Parry


    http://www.youtube.com/watch?v=bZAal55efk4&feature=related


    - Präsentation Valsalva Control von Bill Parry


    http://www.stutterblock.com/bsb.pdf


    - Internetseiten mit vielen Informationen zu Valsalva Control:


    http://www.stutterblock.com


    http://www.valsalva.org

    • Offizieller Beitrag

    Sehr schöner Beitrag, Gürcan. Gut, ich arbeite nach einem etwas anderen Prinzip, aber es gibt eine Menge Schnittpunkte. Es geht dabei um Wahrnehmung/Wahrnehmungslenkung, Loslassen/Entspannen und natürlich um Übung, Übung/Training. Respekt der guten Frau Valsalva ... und Dir, mein Lieber. Hätte Lust, mal mit Dir zu sprechen.


    LG Hans

  • Hallo!!!!
    Gebe auch hier meinen Senf dazu.
    Habe den bericht oben gelesen und mal bewust versucht beim reden den bauch raus zu drücken.
    Soweit so gut.
    Habe dann festgestellt das meine kehle nicht mehr zu geht.
    Der punkt ist, wie oben beschrieben worden ist das die freundin beobachtet hat das er so schwer ausatmet!!!!!!
    Da hab ich gedacht, das ist es.
    Meine freundin hat das bei mir auch schon festgestellt!!!
    Habe dann bewußt den bauvh und somit das zwerchfell rausgedrückt.
    Und siehe da...


    ICH KANN REDEN!!!!


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