Atmung - Atemtherapie
Der Mensch kann ohne Essen etwa 40 Tage, ohne Trinken nahezu 5 Tage, ohne Sauerstoff nur einige Minuten überleben. Bei fehlender Sauerstoffzufuhr zum Gehirn treten bereits nach einigen Sekunden Schwindel und zunehmende Bewusstseinstrübung, nach 4 Minuten bleibende Gehirnschäden auf.
Ängste sind stets mit Atmungsveränderungen verbunden, so dass dem Verständnis der richtigen Atmung eine ganz besondere Bedeutung zukommt.
Bei der Einatmung gelangt die Luft über die Nase oder den Mund durch die Luftröhre zur Lunge. Im Brustkorb teilt sich die Luftröhre, um beide Lungenflügel versorgen zu können. Die beiden Luftröhrenäste werden Bronchien genannt. Diese verzweigen sich in der Lunge in immer feinere Verästelungen (Bronchiolen). Durch diese gelangt die Luft schließlich in die Lungenbläschen (Alveolen), die extrem dünn und von feinsten Blutgefäßen durchzogen sind. Hier erfolgt der Gasaustausch: Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft und Abgabe von Kohlendioxid aus dem Blut.
Im Rahmen des so genannten Lungenkreislaufs wird das verbrauchte Blut, das die rechte Herzkammer aus den großen Körpervenen aufnimmt, über die Lungenarterie in die Lunge befördert, bis hin zu den Lungenbläschen. Dort gibt das Blut das Abfallprodukt Kohlendioxid (CO2) zum Ausatmen ab und nimmt aus der eingeatmeten Luft den Sauerstoff (O2) auf. Das mit Sauerstoff angereicherte Blut gelangt dann in die linke Herzkammer und wird dort über die Körperhauptschlagader (Aorta) je nach Bedarf im Körper verteilt. Das Atmungszentrum im Hirnstamm koordiniert die gesamte Atmung.
Der Sauerstoff muss mit dem Blut in der Lunge in Kontakt kommen, um aufgenommen und verwertet werden zu können. Aufgrund des aufrechten Ganges des Menschen und der Schwerkraft ist das Blut in der Lunge sehr unterschiedlich verteilt. An der Lungenspitze, in der Nähe des Schlüsselbeins, beträgt die Durchblutung weniger als ein Zehntel Liter pro Minute, im untersten Drittel der Lunge dagegen einen Liter pro Minute. Für eine maximale Aufnahme von Sauerstoff ist das Hineinatmen in den unteren Bereich der Lunge erforderlich. Bei flacher Atmung werden nur 0,2 statt 0,5 Liter Sauerstoff aufgenommen, wodurch die unteren Lungenbläschen unterversorgt bleiben.
Sauerstoff ist die Verbrennungsenergie des Körpers, durch die alle Stoffwechselprozesse ermöglicht werden. Sauerstoff sorgt in den Körperzellen für die Verbrennung der Nährstoffe, wodurch diese zur Energiegewinnung nutzbar gemacht werden. Während der Sauerstoff verbrannt wird, entstehen Kohlendioxid (Kohlensäure) und Wasser als Stoffwechselabfälle. Zuviel Kohlendioxid und zuwenig Sauerstoff im Blut führen zum Einatmen. Bei Sauerstoffüberangebot und Kohlendioxidmangel (z.B. nach einer Hyperventilation) kommt es zur Atemruhe oder zum Atemstillstand. Hyperventilation bewirkt somit Atemnot, führt jedoch nicht zur Bewusstlosigkeit.
Atem- und Herzrhythmus sind eng aneinander gekoppelt. Das Verhältnis von Atmung und Herzschlag beträgt in Ruhe sowie im Schlaf 1:4. Bei 15-20 Atemzügen pro Minute erfolgen 60-80 Herzschläge. Die Ruheatmung sollte nicht mehr als 15 Atemzüge pro Minute umfassen (bei Männern 12-14, bei Frauen 14-15 Atemzüge). Unter Belastung erfolgen bis zu 30 Atemzüge, bei gezielter Entspannung 6-10 Atemzüge pro Minute. Schneller atmen beschleunigt den Herzschlag, weil der vermehrt eingeatmete Sauerstoff zu den Organen weiterbefördert werden muss. Langsamer atmen verlangsamt den Herzschlag. Viele Panikpatienten haben bereits in Ruhe einen zu hohen Puls.
Einatmen bedeutet Anspannung, Ausatmen bewirkt Entspannung. Je flacher die Atmung, desto schneller ist sie und desto höher ist in der Regel auch die Herzfrequenz.
Die Einatmungsluft enthält 20% Sauerstoff, 78% Stickstoff, 0,03% Kohlendioxid und andere Stoffe wie z.B. Reizstoffe, Umweltgifte, Staub. Die Ausatmungsluft enthält 14% Sauerstoff, 69% Stickstoff, 5% Kohlendioxid sowie etwas Wasserdampf und Spuren anderer Gase.
Das maximale Sauerstoffaufnahmevermögen hängt von der Größe des Herzminutenvolumens (Schlagfrequenz mal Schlagvolumen/Minute) ab. Ausdauerbelastung verbessert das Herzschlagvolumen. Das Sportlerherz schlägt in Ruhe oft nur 40 mal pro Minute und kann bei Belastung mit weniger Schlägen mehr Blut befördern als das von Untrainierten. Ein trainierter Körper hat infolgedessen eine bessere Aufnahme und Verwertung von Sauerstoff als ein untrainierter Körper.
Sportler atmen Luft mit 20% Sauerstoff ein und Luft mit 12% Sauerstoff aus. Nichtsportler atmen ebenfalls 20% Sauerstoff ein, jedoch 17% wieder aus: sie nutzen mit jedem Atemzug nur 3% des vorhandenen Sauerstoffs. Untrainierte müssen daher fast dreimal soviel atmen wie Trainierte, um dieselbe Energie zu erhalten.
Ausdauersport (Laufen, Schwimmen, Radfahren, Skilanglauf) ist das beste Atemtraining, weil dadurch eine maximale Sauerstoffaufnahme und -verwertung erfolgt.
Unzureichendes Ausatmen vor dem Einatmen, wie dies oft bei Angst, Aufregung und Stress der Fall ist, führt dazu, dass sich Kohlendioxid und Schlacken als Abfallprodukt des Atmens in der Lunge stauen und ins Blut abgedrängt werden, was eine vorübergehende Vergiftung bewirkt, die sich in Unruhe, Müdigkeit, Erschöpfung u.a. äußert. Vollständiges Ausatmen ermöglicht erst intensives Einatmen.
Ständige Sauerstoffunterversorgung des Körpers führt langfristig zu Verspannungen, Kopfweh, Kreislaufproblemen, rascher Ermüdung und Konzentrationsschwäche.
Asthma und Bronchitis werden durch psychogen bedingte Verkrampfungen der Atmungsorgane verstärkt. Asthma ist eine Störung der Ausatmung als Folge von Verkrampfung oder schleimbedingter Verstopfung der Bronchiolen.
Bei Arbeitsbedingungen ohne ausreichende Sauerstoffzufuhr kann der Körper Energie durch Glykolyse (Zuckerspaltung) gewinnen. Zu Beginn jeder intensiven Arbeit schaltet der Organismus von der Oxydation (Energiegewinnung unter Sauerstoff) auf Glykolyse um. Dabei wird Glukose in Laktat (Milchsäure) umgewandelt.
Man unterscheidet drei Formen der Atmung: Brust-, Zwerchfell- und Vollatmung.
Brustatmung
Die Zwischenrippenmuskeln (Interkostalmuskeln) sorgen dafür, dass das Volumen des Brustkorbs beim Einatmen zunimmt und beim Ausatmen abnimmt, was jedoch nur bei körperlicher Belastung verstärkt erforderlich ist (in Ruhe reicht die Zwerchfellatmung). Jede dieser Bewegungen überträgt sich auf die Lunge, die sich dann entsprechend ausdehnt oder verkleinert. Bei der reinen Brustatmung wird nur das obere und mittlere Drittel der Lunge durchlüftet.
Zur Brustatmung gehört auch die Schulter-(Schlüsselbein-), Flanken-(Untere Rippen-) und Rückenatmung. Bei der Schulteratmung bewegen sich in der Einatmungsphase die Schultern in Richtung der Ohren.
Weil bei der Schulteratmung Muskeln des Schlüsselbeins benutzt werden, die normalerweise zum Atmen nicht gebraucht werden, spricht man auch von Schlüsselbein- oder Hochatmung. Die Schulter-(Schlüsselbein-)Atmung ist die schlechteste und ineffizienteste Atmungsform, weil mit sehr viel Energie relativ wenig Luft bewegt wird. Durch das Hochziehen der Schultern wird der Brustkorb nicht erweitert, sodass sich die Lunge nicht genügend ausdehnen kann. Es kommt zu einem unangenehmen Luftstau im oberen Brustkorb, der eine Einatmung im unteren Lungenbereich verhindert. Die muskuläre Verspannung im Schulter- und Brustbereich verhindert ein entspanntes Ausatmen.
Die Schulteratmung tritt auf bei Angstzuständen, wenn der Atem zu stocken beginnt. Bei einer Schreckreaktion zieht man die Schultern hoch, hält den Atem an und atmet ineffektiv aus dem oberen Brustkorb heraus weiter, in der irrigen Meinung, über den Mund maximal viel Luft aufzunehmen. Tatsächlich wird jedoch nur ein kleiner Teil der Lungenkapazität genutzt, was verstärkte Atemnot bewirkt und Hyperventilieren begünstigt. Es werden Muskelgruppen aktiviert, die für den normalen Atemvorgang nicht benötigt werden, um den Preis, dass „mehr Arbeit für weniger Luft“ erfolgt. Gleichzeitig wirkt die hochsitzende Luftfülle bedrängend (Druckgefühl auf der Brust).
Etwa zwei Drittel der Menschen atmen falsch. Sie ziehen beim Einatmen den Bauch ein und heben die Schultern, beim Ausatmen drücken sie den Bauch heraus. Sie atmen zu flach in den oberen Brustraum hinein und haben eine zu hohe Atemfrequenz Mehr als 15 Atemzüge pro Minute werden von vielen Atemtherapeuten bereits als Stresssignal angesehen. Wenn man bei der Aufforderung, mit dem Mund tief einzuatmen, um eine maximale Menge Luft aufzunehmen, die Schultern in Richtung der Ohren hebt, hat man eine völlig ineffiziente Schulter- oder Schlüsselbeinatmung. Bei überwiegender Brustatmung, wie sie für viele Menschen typisch ist, hebt und senkt sich nur der Brustkorb, entsprechend dem früheren militärischen Motto „Brust heraus, Bauch hinein!“.
Eine falsche Atmung hängt heutzutage öfters auch mit dem herrschenden Schlankheitsideal zusammen. Verschiedene Menschen möchten nicht durch eine stärkere Bauchatmung in unangenehmer Weise an ihren Bauch erinnert werden.
Zwerchfellatmung
Das Zwerchfell ist der wichtigste Atemmuskel, weil er bei richtiger Atmung 80% des Atemvolumens bewirkt. Es handelt sich dabei um eine gewölbte Muskelplatte, die aussieht wie ein aufgespannter Regenschirm und die den Brustraum vom Bauchraum abgrenzt. Eigentlich sind zwei Zwerchfellkuppeln vorhanden, je eine im rechten und linken Oberbauch. Der Zwerchfellmuskel und die Zwischenrippenmuskeln sorgen gemeinsam für die Ausdehnungsfähigkeit der Lunge und ausreichende Atemluft.
Die Zwerchfellatmung ist die „normale“ Atmung in Ruhe. Sie beruht auf einer Anspannung (Abflachung) des Zwerchfells beim Einatmen, wodurch die Lunge sich ausdehnen kann und das untere Drittel der Lunge durchlüftet werden kann, und einer Entspannung (Krümmung) beim Ausatmen, wodurch die Lunge zusammengepresst wird.
Die beiden Lungenflügeln hängen frei im Brustkorb und werden bei der Einatmung auseinandergezogen. Durch das Auseinanderziehen der Lunge beim Tiefertreten des Zwerchfells entsteht scheinbar ein Hohlraum (ein Unterdruck in Wirklichkeit), in den die Luft passiv hineingesogen wird.
Die Lunge kann sich durch die Zwerchfellatmung nach unten weiter ausdehnen und mehr Luft aufnehmen. Im untersten Drittel ist aufgrund der Schwerkraft auch das meiste Blut zur Sauerstoffaufnahme.
Das Ausatmen ist ein rein passiver Vorgang für Zwerchfell, Lunge und Luft. Die vorher angespannte Zwerchfellmuskulatur entspannt sich und wölbt sich deshalb wieder in den Brustkorb vor. Die vorher gedehnte Lunge kann nun wie ein Gummiband auf ihre ursprüngliche Größe zusammenschrumpfen. Dabei entweicht die Luft automatisch und passiv aus der Lunge über die Nase oder durch den Mund.
Beim Einatmen flacht sich die bis dahin hochgewölbte Zwerchfellkuppel durch aktives Zusammenziehen der Muskulatur ab (das Zwerchfell steht dann um 1-3 cm tiefer). Dadurch wird der Brustraum größer, zunächst auf Kosten des Bauchraums. Die Eingeweide im Bauchraum können aber nicht beliebig zusammengedrückt werden. Folglich drängen sie nach vorne und wölben den Bauch vor (Heben und Senken der Bauchdecke bei guter Zwerchfellatmung). Man spricht deshalb auch von der Bauchatmung.
Bei der Zwerchfellatmung werden auch die seitlichen Rippenmuskeln bewegt. Die unteren Rippen werden auseinandergezogen, so dass sich der Brustraum erweitert. Diese Form der Atmung nennt man Flankenatmung. Es weitet sich auch der untere Rücken.
Die Zwerchfellatmung erleichtert auch andere Körpervorgänge:
l Erleichterung der Verdauung. Das Auf und Ab des Zwerchfells ist für die Eingeweide eine verdauungsfördernde Massage (besonders hilfreich bei Verstopfung).
l Erleichterung der Herztätigkeit und des Blutkreislaufs. Das Herz ruht mit einem breiten Streifen seiner rechten Herzkammer und mit einem Teil seiner linken Kammer auf dem Zwerchfell. Die rechte Herzhälfte, insbesondere der ihr vorgeschaltete venöse Abschnitt des großen Kreislaufs, macht alle Zwerchfellbewegungen mit. Durch die Zwerchfallabflachung beim Einatmen bewegt sich auch das Herz weiter nach unten und wird dadurch größer und länger, so dass es mehr Blut aus den Venen aufnehmen kann, durch die Wölbung beim Ausatmen wird das Herz wieder in den Brustkorb hochgedrückt.
l Schonung der Stimme. Die Stimmritze wird durch die Zwerchfellanspannung beim Einatmen geöffnet, was eine gute Stimme ermöglicht, während sie bei der Brustatmung geschlossen bleibt. Bei reinen Brustatmern kommt es daher leicht zur Beeinträchtigung der Stimme.
Vollatmung
Die Vollatmung (Brust- und Zwerchfellatmung) ist die effizienteste Atmung. Zuerst hebt sich die Bauchdecke (Zwerchfellatmung), dann erweitern sich auf der Höhe der Einatmung infolge der Aufwärtsbewegung der Luft die unteren Rippen (Flankenatmung) und der Rücken (Rückenatmung), schließlich heben sich die Schultern (Schlüsselbeinatmung), so dass der ganze Atemraum vom Zwerchfell bis zum obersten Lungenbereich, den Lungenspitzen, benutzt wird. Anschließend wird sofort ausgeatmet. Ein ergiebiger tiefer Atemzug steigt somit immer von unten, aus dem Bauch heraus, nach oben bis in die Lungenspitzen. Die Atmung gleicht einer Wellenbewegung.