Diese Frage habe ich mir in meinen vielen Jahren als Betroffener immer wieder gestellt, allerdings nur mir selbst, da ich noch nie einen anderen Stotterer getroffen habe. Ich glaube es hat angefangen als ich 11 war. Ich hatte große Probleme mit dem Vorlesen und hatte Gräuel vor Situationen, die mein Problem noch stärker ans Tageslicht bringen könnten. Jedenfalls war ich damals in der 6. Klasse und eines unangenehmen Tages sollte in allen 6. Klassen ein geeigneter Kandidat für einen bundesweiten Vorlesewettbewerb ermittelt werden. Ironie lass nach.
Jedenfalls musste ich dann irgendwann auch vorlesen, obwohl ich bis zuletzt gehofft hatte, dass dieser Kelch vielleicht doch an mir vorübergehen würde. Wie Kelche aber halt so sind, wollte er mich unbedingt haben. Und den Rest der Geschichte kennt ja wohl jeder, der in diesem Forum sein Unwesen treibt.
Um mich hier nicht in einem Labyrinth aus zermürbendem Geschwaffel zu verirren und mir unnötig Feinde zu schaffen, die meinetwegen auf der Tastatur eingeschlafen sind, komme ich mal zum Punkt.
Ich habe mich also seit jeher gefragt wieso die meisten Menschen fließend und beneidenswert dahinquasseln können, Spaß daran haben und es obendrein noch genießen, wohingegen eine armselige Minderheit hilflos den Wortschatz entlangstottert. Ich gehöre leider zur zweiten Gruppe und habe natürlich meine persönlichen Schwierigkeiten damit, obwohl mir schon eintausendundeins mal gesagt wurde, dass das nichts bringt... und so weiter und sofort.
Ich wünschte mir also ich würde nicht stottern, könnte mich gemütlich vor eine aufgebrachte Horde stellen und sie mit einem atemberaubenden Wortschwall zur Revolte anstiften. Ich war seit jeher neidisch auf große Redner wie Cicero, Cäsar oder wie sie alle hießen. Ich aber muss mit den Worten ringen und möglichst athletisch das Stottern vermeiden.
Ich merke gerade, dass ich schon wieder den Faden zu verlieren drohe und fange mich daher schnell wieder.
Ich war in meinem Leben bislang nur einmal in Sprachtherapie. Danach kannte ich alle erforderlichen Tricks um Stottern kontrollieren und verändern zu können. Die haben dann für eine gewisse Zeit auch ganz gut gewirkt, aber nach ca. 2 Jahren wurde es wieder katastrophal schlimmer. Ich weiß zwar auch heute noch wie man sich möglichst blamierungsfrei aus einem Block befreit, aber zum fließenden Reden verhilft es mir dennoch nicht.
Ich habe mich also weiter nach den diversesten und bahnbrechendsten Behandlugen der Galaxis umgehört, suchte und fand mein Gold dann schließlich. Eine Freundin aus den USA erzählte mir von HCRI Therapy in Virginia, der bislang besten Stottertherapie der Welt mit mehr als 5600 erfolgreich behandelten Patienten. War eigentlich nichts neues für mich, wusste ich alles schon vorher. Neu war nur die Erkenntnis, dass HCRI Techniken nur im US Land erhältlich sind. Welche Art von Exorzismus da mit den Leuten betrieben wird, sei jetzt mal dahingestellt, denn Hauptsache wer funktioniert.
Ich würde nun auch etwas tun um meine Sprache besser in den Griff zu kriegen. Ich stehe da nur vor einem paradoxen Problem. Ich habe nun schon so viel Zeit als Stotterer verbracht, dass es mir jetzt schwer bis unmöglich vorkommt an ein Leben nach dem Stottern zu glauben. Wie verrückt das auch immer klingen mag, aber so empfinde ich das. Ich meine es wäre doch großartig wenn das alles endlich vorbei wäre. So viele neue Möglichkeiten vor denen ich früher immer zurückgeschreckt bin, würden sich mir nun offenbaren.
Aber trotzdem fühlt sich der Gedanke, dass dieses Anhängsel plötzlich weg sein sollte, befremdlich an.
Ich weiß nicht was andere dazu denken, für mich ist es jedenfalls so.
Das Stottern an sich hatte einen negativen Einfluss auf meine persönliche Entwicklung und deswegen habe ich allen Grund es zu hassen...
Zu guter Letzt würde mich von erfahreneren Betroffenen interessieren welche Aussichten und Möglichkeiten der Therapie, Heilung, Kontrolle etc. etc. es für mich als 21-Jährigen gäbe.
Ich habe schon ehemalige Stotterer gesehen, die plötzlich flüssig geredet haben. Ich frage mich wo die ihr Stottern weggepackt haben, vielleicht ist mein Koffer einfach nur zu klein.
Und zu allerguter Letzt fällt mir noch eine Anekdote ein. Wer es bis hierhin geschafft hat, kann das vielleicht auch noch lesen.
Ich hab also eine Bekannte in Australien. Ist alles eine längere Geschichte und gehört jetzt hier nicht hin.
Jedenfalls, stottert sie auch. Sie jetzt 17 Jahre alt und kurz davor aufs College zu gehen. Das letzte mal als ich sie gesehen habe, hat sie viel von Zukunftsängsten geredet und, dass sie überhaupt nicht weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Ihr Stottern habe ihr alle Perspektiven verbaut etc. etc.
Wer kennt so was nicht? Ich habe auch meine Probleme, und kann mir nicht einmal selber helfen. Aber sie tut mir irgendwie wirklich leid. Weiß jemand vielleicht irgendwas Effektives, das ihr weiterhelfen könnte? Irgendeine auschlaggebende Therapie?
So, das war jetzt wirr aneinandergereihtes Zeug aus meiner Gedankenwelt mit der Absicht anderer Leute Schlafstörungen zu beheben.
Ich hab alles gesagt und dann wieder doch nicht.