Heilungs-Prozess beim Stottern während der Stottertherapie

Ist Stottern heilbar?

Stottern ist bis zu einem bestimmten Alter und Stadium ohne therapeutische Eingriffe heilbar (medizinisch „Remission“). Besonders in jungen Jahren besteht Aussicht auf vollständige Heilung. Diese kann therapeutisch gefördert werden. Im Alter ist Verbesserung möglich bis hin zu meist symptomfreiem Sprechen.

Ist die Heilung ein realistisches Ziel?

Das sagt die Wissenschaft dazu:

Nach dem heutigen Standpunkt der Wissenschaft ist eine Heilung vom Stottern im Sinne von vollständiger Symptomfreiheit größtenteils ausgeschlossen:

  1. Bisher ging man aufgrund von Zwillingsstudien und Untersuchungen, die familiäre Faktoren einbezogen, davon aus, dass Stottern vererbbar (genetische Ursachen) und darum nicht heilbar sei.
  2. Nach neueren Studien1) eines Forscherverbundes der Universitäten Frankfurt und Kassel gehen Wissenschaftler allerdings davon aus, dass das Stottern dauerhaft geheilt werden kann.

1) (Quelle: Welt der Wissenschaft)

Meine Erfahrung als Stottertherapeut:

Stottern ist nach meinem Verständnis eine Konditionierung und keine zwangsläufige, krankhafte Entwicklung aufgrund von Prädispositionen. Nun stelle ich mir die Frage: Wie kann man Stottern heilen?

Mit sinnvollen Übungen und engagiertem Training ist es möglich, einen gewissen Grad des flüssigen Sprechens zu erreichen. Heilung vom Stottern schließe ich nicht aus – anders als der Mainstream der Wissenschaft.

Warum denke ich das? Zum Einen habe ich Personen behandelt, die vor vielen Jahren meine Stottertherapie besucht haben und meinem Wissen nach bis heute stotterfrei geblieben sind, und zum Anderen erschließt sich mir die Logik nicht, mit der der genetische Ansatz begründet wird.

Das führt mich zu einer weiteren Frage: Wie wissenschaftlich ist Wissenschaft?

Konzept

Vorweg möchte ich sagen, dass das Konzept dieser Stottertherapie eine Heilung im Sinne von „jederzeit symptomfrei“ nicht verspricht, aber auch nicht ausschließt. Die Interventionen des Stotterer-Trainings zielen auf eine Reduzierung der Symptome ab. Der häufigste Auslöser des Stotterns ist Stress. Dieser hat negative Auswirkungen auf Reaktions- und Verhaltensmuster und somit auch auf das Sprechen. Oft in immer gleichen Gesprächsituationen, mit denselben Menschen. Dabei spielt die kommunikative Verantwortlichkeit eine große Rolle. Das Stotterer-Training setzt genau hier mit gezielten Übungen zur Reduzierung der Symptome an – bis hin zum flüssigen Sprechen. Zum Stottertherapie-Konzept

Der Weg zum Ziel: Kontrolle vor Heilung

Da die Heilung vom Stottern nach heutigem wissenschaftlichen Standpunkt umstritten ist, sollte ein möglichst aussichtsreicher Umgang mit dem Stottern das Ziel sein. Sich dessen bewusst zu werden, ist der erste und wichtigste Schritt. Ab dann haben wir den Kopf frei und können unsere Kraft darauf konzentrieren, den Sprechfluss zu erleichtern und zu verbessern.

Das bedeutet nicht, dass wir uns mit dem Stottern abfinden müssen. Ganz im Gegenteil: mit Atem- und Sprechübungen, mentalen Techniken und Fleiß können wir das Stottern kontrollieren und reduzieren und damit die Aussicht auf Heilung fördern.

Vorteile der Kontrolle

Stell dir vor, welche Möglichkeiten sich Dir im Beruf und Alltag bieten, wenn Du kontrolliert flüssiger und leichter sprechen kannst. Du würdest mehr Souveränität gegenüber den Herausforderungen und Automatismen des Stotterns gewinnen und lernen, offener mit Deinen Schwächen umzugehen, was Dich paradoxerweise – oder besser glücklicherweise – stärker macht.

In welchem Alter ist Heilung vom Stottern möglich?

Heilung vom Stottern ist ein schwieriger Begriff. Eine Remision – spontane Heilung ohne therapeutisches Eingreifen – wird bis etwa zum 6. Lebensjahr häufiger festgestellt. Danach werden Remissionen seltener.

Bis zum 6. Lebensjahr verschwindet das Stottern oft von allein:
Bei etwa 5% der Kinder kommt es im Laufe des Spracherwerbs zu sogenanntem „Entwicklungsstottern“. Zirka 80% der Kinder verlieren das Stottern meist noch während des Vorschulalters und erfahren eine Spontanheilung (Remission). Therapeutisch kann diese Entwicklung unterstützt werden. Mit geeigneten Behandlungen ist das Stottern der übrigen 20% durchaus noch in vielen Fällen komplett heilbar.

Mit Abschluss der Pubertät und bei Erwachsenen ist eine Heilung im Sinne von „nie wieder stottern“ relativ selten zu beobachten:
Ist das Stottern erst einmal chronisch, behalten ältere Menschen meist die Neigung zum Stottern; sie bleiben in ihren Stottermustern, die im Zuge der Chronifizierung – durch Wiederholung des Stotterns – erlernt wurden. Doch was „programmiert“ wurde, kann auch deprogrammiert werden.

Logische Schritte

Mit diesen 6 Schritten kannst Du zur Linderung oder Heilung des Stotterns beitragen.

Stottern Heilungsprozess #1: IST-Zustand akzeptieren

IST-Situation anerkennen

Klares Erkennen und Akzeptieren der IST-Situation bedeutet die Anerkennung der Fakten: Wenn ich spreche, stottere ich zeitweise. Das behindert mich.

Stottern Heilungsprozess #4: Übungen umsetzen

Massnahmen umsetzen

Die ausgewählten Übungen setze ich nun gezielt und gewissenhaft um. Dabei achte ich darauf, alles korrekt und logisch strukturiert durchzuführen.

Stottern Heilungsprozess #2: Muster analysieren

Analyse der Mechanismen

Die Analyse der Automatismen schafft die Grundlage für das Entwickeln einer zielführenden Vorgehensweise zu meiner angestrebten Heilung des Stotterns.

Stottern Heilungsprozess #5: Fortschritte kontrollieren

Kontrolle und Korrektur

Damit mein Weg zur Heilung des Stotterns so effektiv wie möglich verläuft, sind Überprüfungen und Korrekturen meines Übens unerlässlich.

Stottern Heilungsprozess #3: Maßnahmen planen

Massnahmen planen

Um Heilung herbeizuführen, ist es sinnvoll, einen Maßnahmenplan zu entwickeln und Werkzeuge zu finden, die helfen können, diesen Plan umzusetzen.

Stottern Heilungsprozess #6: Training vertiefen

Pflege der Erfolge

Um die erzielten Fortschritte aufrecht zu erhalten, solltest Du weiterhin angemessen trainieren: auf physikalischer, emotionaler und mentaler Ebene.

Häufig gestellte Fragen zum Thema „Stottern heilen“

Ist Stottern überhaupt eine „Krankheit“, die es zu heilen gilt? Oder ist es „nur“ eine Konditionierung? Konditionierung im Sinne von „ich habe angefangen, daran zu denken zu stottern und dieser Gedanke hat sich in einem gedanklichen und emotionalen Reaktionsmuster manifestiert“.

In meinen Augen ist dieser Ansatz völlig logisch. Somit besteht auch die Möglichkeit, sich zu dekonditionieren. Das bedeutet, sich flüssiges Sprechen durch geeignete Maßnahmen anzutrainieren. Die bestehende Konditionierung kann durch dieses Vorgehen Stück für Stück aufgelöst werden.

Mit dem Praktizieren der Übungen geht erfahrungsgemäß eine signifikante Verbesserung des Sprechens einher. Das erreichbare hohe Niveau des Sprechflusses sollte aber durch strukturiertes Trainieren über einen längeren Zeitraum unterstützt und weiter gefördert werden, um das flüssige Sprechen zu stabilisieren. Heilung vom Stottern im Sinne von „nie wieder stottern“ verspricht das Stotterer-Training nicht.